Aale sind überwiegend nachtaktive und ausgesprochen grundorientierte Fische mit einer besonderen Lebensweise und einem nahezu einzigartigen Lebenszyklus. Sie sind in unseren Gewässern weit verbreitet und besonders in nahezu allen fließenden Gewässern Deutschlands sowie in den Küstenregionen von Nord- und Ostsee vertreten. In den Flüssen dringen sie dabei bis in die Forellenregion vor und meiden lediglich die ausgesprochen sommerkalten Oberläufe der Bäche und Flüsse. Auch in unseren Kanälen und stehenden Gewässern sind sie deutschlandweit vertreten, soweit diese Gewässer passierbare Verbindungen zu Fließsystemen aufweisen, eine direkte Anbindung an die Nord- oder Ostsee haben oder künstliche Besatzmaßnahmen für den Bestand verantwortlich sind. Aale verbringen jedoch nur einen Teil ihres Lebens in unseren Gewässern. Ihre eigentliche Heimat, d.h. ihr Geburtsort liegt viele tausend Kilometer entfernt im westlichen Teil des Nordatlantiks.
© Juliane & Marcel Gierth – Homepage: http://www.gierth.name – Gelbaal bei der nächtlichen Nahrungssuche
Kaum eine andere Fischart in Deutschland gibt uns so viel Rätsel auf wie der Aal und trotz jahrzehntelanger intensiver Forschung sind wesentliche Entwicklungsschritte im Leben des Europäischen Aals noch weitgehend unklar. So gibt es gravierende Wissenslücken insbesondere im Hinblick auf die Fortpflanzung der Aale. Noch nie konnte in der freien Natur der Laichakt der Aale beobachtet werden. Auch den Ort ihres Laichreviers schließen wir nur aus verschiedenen Indizien und über die genaue Entwicklung der Eier und der Larven des Aals wissen wir noch ebenso wenig wie über die Ernährung der ersten Entwicklungsstadien. Dies ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb es bis heute noch nicht gelungen ist, Aale künstlich zu vermehren.
Lebenszyklus der Aale
Lebenszyklus der Aale
© By Eel-life-circle1.svg: Salvor Gissurardottir
derivative work: Carl Steinbeißer
Auch wenn der Lebenszyklus unserer heimischen Aale recht komplex und ungewöhnlich erscheint, lassen sich die wesentlichen Entwicklungsschritte der Art zunächst in wenigen Sätzen zusammenfassen. Aale laichen in der Sargassosee in der Nähe der Bahamas. Die geschlüpften zunächst weidenblattförmigen Aallarven wandern über Strecken von mehreren tausend Kilometern ostwärts und erreichen nach ca. 2-3 Jahren die Küsten von Europa und Nordafrika. Dort verändern sie ihre Gestalt und dringen als sogenannte Glasaale in die Mündungen unserer Flüsse ein, wo sie teilweise bis in die oberen Regionen vordringen. Ein kleinerer Teil der Aale verbleibt auch dauerhaft im Salzwasser. Mit zunehmender Größe beginnt die Pigmentierung der noch durchsichtigen Jungfische und als sogenannte Gelbaale verbringen sie den größeren Teil ihres Lebens in unseren Flüssen und Kanälen, in den angeschlossenen Seen oder eben im Meer, um hier weiter zu wachsen und viele Jahre später als erwachsenes Tier geschlechtsreif zu werden. Mit Einsetzen der Laichreife machen sich die Aale dann wieder auf, um an den Ort ihrer Geburt zurückzukehren. Auf dieser meist bis zu einem Jahr dauernden Laichwanderung wandeln sie wiederum ihr äußeres Erscheinungsbild und ziehen als sogenannte Blankaale zu ihren Laichplätzen in Richtung Sargassosee. Diese Laichwanderung vollzieht jeder Aal nur einmal in seinem Leben. Nach dem Laichen sterben die Elterntiere ohne Ausnahme ab und mit der Wanderung der neuen Aalgeneration hin zu den Küsten Europas beginnt ein neuer Zyklus im Leben des Europäischen Aals.
Aale zählen damit zu den sogenannten katadromen Wanderfischen, die im Süßwasser leben und zum Laichen die Meere aufsuchen. Da ein Teil der Aalpopulation dauerhaft im Salzwasser verbleibt, nennt man die Wanderform des Aals als fakultativ katadrom. Bei den Süßwasserfischen ist es nur die Flunder, die ein ähnliches Wanderverhalten zeigt. Die Laichwanderungen dieser Plattfischart sind jedoch vergleichsweise kurz, da sie nur den meist kurzen Weg vom Unterlauf der Flüsse bis an die Küsten der Mündungsregion zurücklegen. Diese Laichwanderungen umfassen oft deutlich weniger als 100 km.
© Juliane & Marcel Gierth – Aal in seinem Versteck
Betrachtet man nun die einzelnen Lebensabschnitte unserer heimischen Aale genauer, so zeigen sich viele spannende und erstaunliche Details. Wie schon erwähnt, weiß man auch heute noch recht wenig über die Ernährung der nach dem Schlüpfen nur etwa 2 mm großen Aallarven auf ihrem 5.000 bis 6.000 km langen Weg vom Atlantik an unsere Küsten. Zwar nutzen die jungen Aale die vorhandenen Meeresströmungen – vor allem den Golfstrom – für ihr Fortkommen, nach heutigem Wissensstand bewegen sie sich jedoch auch aktiv fort. Dabei ist ihre äußere Körperform für diese mehr oder weniger aktive Fortbewegungsart wie geschaffen und der Energieverbrauch wahrscheinlich relativ gering. Ganz ohne Nahrung werden sie den weiten Weg aber sicher nicht schaffen. Natürlich ist zu vermuten, dass sie während ihrer 2-3 Jahre währenden Reise kleinste Planktonorganismen aufnehmen, über ihren tatsächlichen Anspruch an eine geeignete Nahrung in dieser Phase weiß man jedoch leider noch nichts Genaues. Aktuell stattfindende Untersuchungen in der Sargassosee-Region beschäftigen sich gerade mit dieser Frage und untersuchen die Nahrungsaufnahme der jungen Aallarven. Für die bisher noch nicht gelungene künstliche Vermehrung des Aals könnten damit ganz entscheidende Informationen gewonnen werden.
Wanderung und Metamorhose
Mit Erreichen der Küstenregionen beginnt die erste körperliche Veränderung (Metamorphose) der nun etwa 7 cm großen und noch hochrückigen Aallarven zum sogenannten Glasaal. Diese kleinen Aale besitzen bereits die typische schlangenförmige Gestalt erwachsener Aale und gehen nunmehr auch zu einer verstärkt grundorientierten Lebensweise über. Sie sind zunächst jedoch noch unpigmentiert und völlig durchsichtig. Mit dem Erreichen der Mündungsgebiete unserer Flüsse verbleibt ein kleinerer Teil der noch sehr zerbrechlich wirkenden jungen Glasaale im Küstenbereich sowie im Brackwasser. Auch die ab einer Wassertemperatur von 10-12°C in die Binnengewässer aufsteigenden Glasaale verbleiben zunächst eine Zeit lang im Brackwasser, damit sich ihr noch an das Salzwasser angepasster Stoffwechsel auf die veränderten Bedingungen des Süßwassers umstellen kann. Mit dem endgültigen Eintritt in die Flüsse und der weiteren flussaufwärts gerichteten Wanderung beginnt dann die zunehmende Färbung der jungen Aale. Nach Erreichen der vollständigen Pigmentierung werden diese weiterhin unaufhaltsam wandernden jungen Aale als sogenannte Steigaale bezeichnet. Dort wo sie noch vor nicht allzu langer Zeit zahlreich an den Küsten Europas anzutreffen waren, zogen sie vor allem im Schutz der Dunkelheit in einem oft mehrere Meter breiten Band nahe des Ufers die Flüsse hinauf und verschwanden nur tagsüber im tieferen Wasser.
© H.-J. Jochims – Kescher voller Steigaale
Auf ihrem Weg in die oberen Flussregionen überwinden die Jungaale nahezu jedes Hindernis. Selbst steile Wehre ohne Fischpass vermag sie oft nicht aufzuhalten, wenn nur ein leichter Bewuchs vorhanden ist, an dem sie sich hochschlängeln können. So kann auch der Rheinfall von Schaffhausen zumindest von einem Teil der aufsteigenden Aale passiert werden, während alle anderen Fischarten an solchen Hindernissen mit Sicherheit scheitern.
In der anschließenden Entwicklungsphase der jungen Aale, die auch als Fress- und Wachstumsphase bezeichnet wird, ändert sich das äußere Erscheinungsbild nochmals geringfügig und die noch relativ kleinen Aale erhalten ihre für diesen Lebensabschnitt typischen gelblich gefärbten Körperbereiche an Bauch und Flanken, weshalb sie auch als Gelbaale bezeichnet werden. Während die männlichen Aale ihre Wachstumsphase vor allem in der Küstenregion und den Unterläufen der Flüsse verbringen, sind es besonders die weiblichen Aale, die bis in die Oberläufe der Fließsysteme eindringen und selbst in kleineren Forellenbächen in durchaus stattlichen Exemplaren vorkommen können. Soweit die Aalbestände eines Flusses nicht massiv durch Besatzmaßnahmen beeinflusst sind, zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass der Anteil weiblicher Aale eines Gewässers durchaus bei etwa 90 % liegen kann.
© Christoph Lomberg – prächtiger Gelbaal
Die Wachstumsphase der Aale ist in Abhängigkeit des Geschlechtes, der geografischen Lage, der Temperatur des Gewässers und der vorhandenen Ernährungsbedingungen von sehr unterschiedlicher Dauer. Bis zur beginnenden Geschlechtsreife der Aale vergehen manchmal nur wenige Jahre, mitunter aber auch Zeiträume von bis zu 20 Jahren und darüber. Bei den weiblichen Aalen sind es etwa 6 bis 12 Jahre, für die männlichen Gelbaale wurden zwischen 6 und 9 Jahren bis zu einem Maximum von etwa 20 Jahren ermittelt. Die aktuell genannten Werte variieren allerdings je nach Quelle sehr stark und es sind auch noch nicht alle Faktoren verstanden, die diesen Prozess beeinflussen.
Mit dem Beginn der Geschlechtsreife begeben sich die Aale erneut auf Wanderschaft und ziehen aus den Flüssen zurück ins Meer hin zu den Laichrevieren im Atlantik. Mit dem beginnenden Wandertrieb vollzieht sich erneut eine Veränderung der Aale, die sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch den Stoffwechsel der Aale betrifft. Während die obere Rückenpartie ein noch dunklere bis schwarze Färbung annimmt, wandelt sich die gelbliche Färbung der Flanken und des Bauches in eine weiße bis silberfarbene Tönung, weshalb die wanderbereiten Aale jetzt auch als Blankaale bezeichnet werden. Während sie aus den oberen Regionen der Flüsse noch aktiv herausschwimmen, lassen sie sich in den größeren Flüssen meist mit der Strömung abtreiben und nehmen dabei eine in etwa S-förmige Haltung ein. Diese teilweise aktive und teilweise passive Wanderung der Aale erfolgt jeweils in den Nachtstunden und vollzieht sich bei uns meist im Zeitraum September bis November, wobei erste Blankaale ihre Reise auch schon im August beginnen können. In besonders warmen Spätsommern kann sich die Hauptwanderung der Aale auch bis in den Dezember hinziehen.
© H.-J. Jochims – abwandernde Blankaale in der Reuse
Die Aktivität der abwandernden Blankaale verläuft nicht gleichmäßig, sondern folgt besonderen und bei weitem noch nicht vollständig verstandenen Regeln. Wesentliche Einflussfaktoren sind dabei zum Beispiel besondere Witterungsbedingungen, Mondphasen oder sich verändernde Abflussverhältnisse der Flüsse. So scheinen besonders raue und stürmische Nächte oder auflaufendes Hochwasser einen besonderen Einfluss auf die Wanderaktivität der nachtaktiven Aale auzuüben. Auch Mondphasen scheinen eine Rolle zu spielen, wobei Aale bei Vollmond eher inaktiv bleiben und ihre Wanderaktivität mit abnehmender Mondphase und speziell um Neumond herum signifikant ansteigt. Ganze Generationen von Berufsfischern und Wissenschaftlern haben sich mit dieser Thematik beschäftigt und sicher einiges erfolgreich deuten können. Die Rätsel um den Rhythmus der Wanderaktivität sind aber heute noch größer als die Menge der gesicherten Erkenntnisse zu dieser Fragestellung.
© H.-J. Jochims – Blankaal mit vergrößerten Augen
Gleichzeitig mit der sich verändernden Pigmentierung vergrößern sich auch die Brustflossen sowie der Augendurchmesser der Fische. Alle diese Veränderungen können als Anpassung an die veränderten Bedingungen im Meer verstanden werden. So sind die Aale mit der jetzt hellen Färbung ihrer Unterseite besser gegenüber möglichen Fressfeinden getarnt und die Vergrößerung der Augen kann als Anpassung an die veränderten Lichtverhältnisse bei ihrem Aufenthalt in großen Tiefen verstanden werden. Ebenso ist vorstellbar, dass eine vergrößerte Oberfläche der Brustflossen es den eigentlich grundorientierten Aalen erleichtert, sich in unterschiedlichen Wassertiefen des Meeres fortzubewegen.
Mit Erreichen des Meeres schwimmen die Blankaale in tiefere Wasserschichten. Dabei scheint ihre Wanderung einem tagesperiodischen Wechsel der Wassertiefe zu folgen. Während sie sich tagsüber in Tiefen von 500 bis 600 Metern fortbewegen, steigen sie nachts in eine Tiefe von etwa 200 Metern und damit auch in deutlich wärmere Wasserschichten auf. Mit dem Abtauchen in tiefe und kalte Meeresschichten während des Tages versuchen die Aale wahrscheinlich, einen Kontakt mit ihren zahlreichen Fressfeinden möglichst zu vermeiden.
Eine weitere Veränderung betrifft das Verdauungssystem der abwandernden Blankaale. Mit Beginn der flussabwärts gerichteten Wanderung stellen die Aale ihre Nahrungsaufnahme nach und nach völlig ein. Auf ihrem weiteren Weg Richtung Atlantik bildet sich ihr Verdauungssystem dann komplett zurück und die Leibeshöhle wird nach und nach von den sich ausbildenden Geschlechtsorganen ausgefüllt. Man nimmt heute an, dass die endgültige Reife der Geschlechtsprodukte erst kurz vor ihrer Ankunft in der Sargassosee erreicht wird. Die wandernden Blankaale können auf ihrer mehrere tausend Kilometer langen Wanderung und den hierfür erforderlichen Energieaufwand somit ausschließlich von ihren Fettreserven zehren, die sie während ihrer Fress- und Wachstumsphase gebildet haben. Damit wird auch nachvollziehbar, dass die Aale nach dem Erreichen ihrer Laichreviere und dem Laichvorgang nicht mehr lebensfähig sind, da ihre Energiereserven wahrscheinlich völlig aufgebraucht sind und ein Verdauungssystem zur Verarbeitung von Nahrung nicht mehr existiert.
Aktivitätsphasen
© Juliane & Marcel Gierth – Aale sind nachtaktive Jäger
Die Wanderung der Blankaale aus unseren Flüssen und die Ankunft der Glasaale an unseren Küsten ist ein sich jährlich wiederholender Vorgang in zeitlich recht klar abgegrenzten Zeiträumen. Während für die kommerzielle Fischerei sowohl Blankaal, Gelbaal als auch der Glasaal im Fokus des wirtschaftlichen Interesses liegen, zielt die Angelfischerei insbesondere auf den Gelbaal, der in seiner teilweise viele Jahre dauernden Wachstumsphase unsere heimischen Gewässer bevölkert und auch in dieser Zeit einige charakteristische und zugleich auffällige Eigenschaften zeigt, die im Folgenden beschrieben werden sollen.
© anglermap – Steinschüttung am Prallhang
Aale sind ausgesprochen nachtaktive Fische, die meist erst mit Einbruch der Dunkelheit auf Nahrungssuche gehen. In der übrigen Zeit suchen sie geeignete Unterstände auf, in denen sie sich verstecken können. Beliebte natürliche Verstecke sind Unterwasserpflanzen, Schilf, ufernahes Wurzelwerk, Felslücken oder auch nur Steine und Schlamm, in dem sie sich eingraben und oft nur mit dem Kopf herausragen. In unseren regulierten und kanalartigen Flüssen fehlen solche Unterstände zwar oft, hier werden aber stattdessen die seitlichen Steinschüttungen oder andere in die Gewässersohle eingebrachten Elemente gerne angenommen. So sind in den groben Steinpackungen unserer großen Schifffahrtstraßen auf kurzen Abschnitten tagsüber manchmal hunderte von Aalen versteckt. Interessant ist hierbei besonders, dass Aale geeignete Verstecke oft gemeinsam mit weiteren Aalen nutzen, während andere potentiell verwertbare Verstecke ungenutzt bleiben.
Aale suchen tagsüber grundsätzlich schattige Stellen, in denen sie ihren Körper möglichst vollständig verbergen können. So wird in einem ansonsten eintönig gestalteten Wasserbecken mit mehreren Aalen ein angebotenes einfaches Kunststoffrohr garantiert angenommen und bei mehreren dieser Rohre wahrscheinlich eines durch mehrere Aale besetzt, während alle anderen frei bleiben.
© anglermap – Brücke bieten dunkle Verstecke
Auch die jahreszeitliche Aktivität der Aale unterliegt einem regelmäßigen Wechsel. Während sie vom Frühjahr bis in den Herbst hinein eine verhältnismäßig gleichbleibende Aktivität aufweisen, suchen sie in der kalten Jahreszeit bei Wassertemperaturen von unter 10°C tiefere und frostfreie Gewässerbereiche auf und fallen in eine Art Winterstarre. In dieser Phase sind die Aale meist unter Strukturen verborgen oder in den Schlamm des Gewässergrundes eingegraben. Mit Einsetzen des Frühjahrs erwacht die Aktivität der Aale und sie suchen die sich schneller erwärmenden meist ufernahen Flachwasserbereiche auf, um die über den Winter entstandenen Ernährungsdefizite wieder aufzufüllen.
Nahrungsgewohnheiten
Aale zählen zu den Allesfressern unter den Fischen. Während sie sich bis zum Aufstieg in unsere Flüsse überwiegend von Plankton ernähren, besteht die Hauptnahrung der heranwachsenden Aale hauptsächlich aus Insektenlarven, Kleinkrebsen, kleinen Muscheln und Schnecken, Würmern und anderen wirbellosen Tieren des Gewässers. Erst ab einer Größe von etwa 40 cm zählen auch vermehrt Fische zum Nahrungsspektrum der Aale. Auch wenn der Europäische Aal eine grundsätzlich grundorientierte Fischart ist, verlässt er zum Jagen nach Beute die Bodenregion und erweist sich sowohl im Mittelwasser als auch an der Wasseroberfläche als geschickter Jäger. Nicht selten dringen Aale dabei zur Nahrungssuche in die unmittelbare Uferzone eines Gewässers ein und sind für den aufmerksamen Beobachter manchmal im Lichtstrahl einer Taschenlampe zu entdecken.
© Bernd Stemmer – Breit- und Spitzkopfaal im Vergleich
Mit den sogenannten Spitz- und Breitkopfaalen existieren in den meisten Gewässern 2 verschiedene Ernährungsformen der Aale nebeneinander, die sich auch aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes unterscheiden lassen. Während die Nahrung der Spitzkopfaale weitgehend aus den schon genannten Kleintieren des Gewässers besteht, entwickeln sich die sogenannten Breitkopfaale zu geschickten Jägern und ernähren sich zu einem deutlich höheren Anteil von Fischen. Ob ein Aal sich zu einem dieser fischfressenden Breitkopfaale oder zu einem Spitzkopfaal entwickelt, scheint nach aktuellem Wissensstand ausschließlich vom Nahrungsangebot seines Lebensraums abzuhängen. Während in Flüssen und Seen mit reichem Jungfischbestand oft größere Mengen Breitkopfaale zu finden sind, werden in Gewässern mit einem üppigen Angebot an Krebsen und anderen Kleintieren oftmals höhere Anteile von Spitzköpfen beobachtet. Durch die oft massiven Besatzmaßnahmen mit bereits vorgestreckten Farmaalen oder noch größeren Exemplaren, die diesen Entwicklungsschritt bereits vollzogen haben, ist dieser Zusammenhang jedoch häufig nicht mehr eindeutig nachzuweisen.
Besonders in unseren Flüssen dienen jedoch nicht nur Organismen des Wohngewässers als Nahrungsquelle. Bei Hochwassersituationen suchen Aale auch bevorzugt überschwemmte Wiesen und sonstige Bereiche der Flussaue auf, um das dortige Nahrungsangebot zu nutzen. Dabei haben sie es ganz besonders auf die zahlreichen Regenwürmer und sonstigen Bodenbewohner abgesehen, die auf der Flucht vor dem Wasser ihre Wohnröhren im Erdreich Richtung Oberfläche verlassen, wo sie leichte Beute der Aale werden. Dass Aale in der Nacht auch auf Land kriechen, um sich dort über die Erbsenfeldern der Bauern herzumachen, ist dabei jedoch nur ein Gerücht.
© anglermap – selbst für Aale kaum passierbar
Eine ebenso in den Bereich der Fabel fallende Einschätzung betrifft die Charakterisierung des Aals als Aasfresser. Aale verschmähen zwar einen frisch verendeten oder getöteten Fisch keineswegs, verwesende Organismen werden vom Aal jedoch nicht gefressen. Das Bild eines Aasfressers wurde nicht zuletzt durch Filme wie die Blechtrommel von Günter Grass verbreitet, wo sich aus einem aus dem Wasser gezogenen Pferdekopf zahlreiche Aale schlängelten. Dass sich Aale auch in einem Tierschädel aufhalten würden, ist dabei nicht falsch und sogar sehr wahrscheinlich. Dies machen Aale jedoch keinesfalls, um sich an verwesendem Fleisch zu bedienen, sondern ausschließlich aus ihrem Trieb heraus, sich zu verstecken. Dass sich dabei mehrere oder sogar viele Aale gleichzeitig diesen einen Tierschädel als Versteck aussuchen, erklärt sich aus dem bereits weiter oben geschilderten Versuch mit den Kunststoffrohren. Nicht zuletzt aufgrund dieses besonderen Verhaltens wurden früher vergleichbare Methoden verwendet, um Aale zu fangen.
© anglermap – steinige Strukturen bieten gute Verstecke
Während Landgänge des Aals in die Erbsenfelder der Bauern mit Sicherheit nicht stattfinden, ist ihre Fähigkeit kürzere Strecken auch über Land zu überwinden unbestritten und wiederholt bewiesen. Zu diesen Landgängen kommt es beim Aale gelegentlich dann, wenn ihr Wandertrieb einsetzt und sie versuchen, ein abgeschlossenes Gewässer ohne Flussanbindung zu verlassen. Voraussetzung für die Fortbewegung außerhalb des Wasserkörpers ist dabei eine ausreichend hohe Feuchtigkeit des benutzten Landweges. Diese besondere Fähigkeit besitzen Aale aufgrund der Tatsache, dass sie einen Teil des Sauerstoffs, den sie zum Überleben benötigen, über die Haut aufnehmen können. Trotz dieser Fähigkeit zur Hautatmung reagieren Aale auf Sauerstoffdefiziten im Gewässer aber ebenso empfindlich wie die meisten anderen Fischarten, obwohl sie ansonsten als äußerst robuste und im Hinblick auf die Wasserqualität wenig anspruchsvolle Fischart gelten. Die Fähigkeit zur Hautatmung zeigt sich sehr eindrucksvoll bei der Hälterung oder dem Transport der Fische. Aale können selbst über viele Stunden problemlos transportiert werden, solange sie ausreichend befeuchtet werden. Werden sie dagegen in einem Behälter mit nur wenig Wasser ohne weitere Sauerstoffzufuhr transportiert, kann der Sauerstoffverbrauch sehr schnell zu Problemen führen.
Eine weitere besondere Eigenschaft unserer Aale ist ihr besonders ausgeprägter Geruchssinn. Aale sind aufgrund der Gestaltung ihrer Nasenöffnungen in der Lage, dreidimensional zu riechen und ihre Beute auch im Dunkeln gezielt zu finden. Dabei sind sie sogar in der Lage, einzelne Moleküle zu riechen und zeigen damit ein Riechvermögen, welches selbst dem des Hundes um Klassen überlegen ist. Möglicherweise ist dieser extrem ausgebildete Geruchssinn auch geeignet, dem Aal den tausende Kilometer entfernten Weg zum Ort seiner Fortpflanzung zu weisen.
Wachstum und Alter
Wie schon weiter oben beschrieben, ist die Entwicklung und damit auch das Wachstum der Aale von vielerlei Faktoren abhängig, die allgemeine Angaben zu Gewicht und Längenwachstum, zum Lebensalter oder der Zeit bis zur Laichreife deutlich erschweren. Wesentliche Abhängigkeiten bestehen insbesondere vom Geschlecht der Aale, von der geografischen Lage ihres Standortes und natürlich von den Ernährungs- und sonstigen Lebensbedingungen ihres Gewässers.
Die Größe der an den Küsten Europas eintreffenden Glasaale wird im Allgemeinen mit etwa 7 cm angegeben. Dies ist jedoch nur ein Durchschnittwert und die tatsächliche Größe der kleinen Aale kann im Einzelfall deutlich von dieser Norm abweichen. So hat der niederländische Forscher Willem Dekker umfangreiche Daten an der niederländischen Küste angelandeter Glasaale für die Jahre 1960 bis 1996 ausgewertet. Danach ergab sich eine durchschnittliche Länge zwischen 6,7 und 7,8 cm bei Extremwerten von 5,4 bzw. 9,2 cm.
© Photo: biopix.dk – adulter Aal
Aale zählen zu den eher langsam wachsenden Fischarten. Wie schon beschrieben, sind die kleinen etwa 7 cm langen Glasaale bereits 2-3 Jahre alt, wenn sie mit dem Aufstieg in unsere Flüsse beginnen und auch das weitere Längenwachstum der Aale bis zu ihrer Geschlechtsreife verläuft mit einem Zuwachs von durchschnittlich etwa 4-5 cm pro Jahr eher moderat. Die Schwankungsbreiten sind jedoch auch hier relativ groß und reichen von weniger als 2 cm bis über 10 cm pro Jahr. Größere Unterschiede im Wachstum sind dabei wie schon angesprochen insbesondere in Abhängigkeit von Geschlecht, Wassertemperatur und Nahrungsangebot zu erwarten. Ein etwas schnelleres Wachstum scheinen die Aale zu zeigen, die im Salzwasser verbleiben. Weibliche Aale zeigen eine insgesamt etwas höhere Wachstumsrate und erreichen mit Maximalgrößen von deutlich über einem Meter völlig andere Körperdimensionen als männliche Tiere, die anfangs mitunter etwas schneller wachsen, aber meist nicht größer als 40-50 cm werden. Während das Wachstum der Gelbaale relativ gleichmäßig erfolgt, reduziert es sich offensichtlich mit Beginn der Umwandlung zum Blankaal.
© Photo: biopix.dk – weiblicher Gelbaal
Meist werden in Darstellungen des Aalwachstums nur die Zeiten im Süßwasser bzw. die sogenannten Kontinental- bzw. Süßwasserjahre betrachtet. Wenn nach diesen Angaben die Größe eines Aals nach 5 Jahren mit einer Größe zwischen 25 und 35 cm angegeben wird, so sind für diesen Aal seit seiner Geburt wahrscheinlich bereits 7-8 Jahre vergangen. Betrachtet man eben diese Süßwasserjahre, so erreichen Aale nach drei Jahren eine Größe von ca. 15-20 cm. Nach 5 Süßwasserjahren sind sie etwa 25-35 cm groß bei einem Gewicht von dann ungefähr 25-80 g. Bis unsere heimischem Aale das geltende Mindestmaß von 40 bis 50 cm erreichen, vergehen meist nochmals 3 oder auch deutlich mehr Jahre, so dass viele unserer fangfähigen Aale einschließlich ihrer langen Reise an unsere Küsten bereits deutlich älter als 10 Jahre sind.
© H.-J. Jochims – eine Wanne voll prächtiger Blankaale
Die Maximalgröße der Aale wird allgemein mit 1,50 Metern bei einem Höchstgewicht von bis etwa 7,5 kg angegeben. Ähnlich wie bei vielen anderen Fischarten werden diese maximalen Längen und Gewichte natürlich nur unter besonders günstigen Lebensbedingungen erreicht. Die Durchschnittsgröße der in unseren Binnengewässern gefangenen Aale liegt deutlich darunter und ein Aal von 1-1,5 kg gilt auch in der Fischerei bereits als starkes Exemplar.
Aale verbringen teilweise mehr als 20 Jahre in unseren Binnengewässern, um heranzuwachsen und die nötigen Fettreserven für ihre lange Laichwanderung zu bilden. Unter Berücksichtigung der Wanderzeit der Aallarven bzw. Glasaale bis an unsere Küsten und die für die Wanderung der Blankaale zu den Laichplätzen im Atlantik erforderliche Zeit ergibt sich für den Europäischen Aal unter natürlichen Bedingungen eine Lebenserwartung von mindestens 20-25 Jahre. In Gefangenschaft oder den vielen abgeschlossenen Gewässern ohne Möglichkeit zur Abwanderung, in denen sie aufgrund von Besatzmaßnahmen leben, erreichen Aale aber regelmäßig auch ein deutlich höheres Alter von bis zu mehr als 50 Jahren.
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